Kein Körperkontakt, aber dafür umso schlagkräftigere Argumente: Vertreterinnen und Vertreter der Immobilienwirtschaft und Architektur standen sich im September zum zweiten Mal im Boxring gegenüber. Direkt vor dem niedersächsischen Landtag in Hannover debattierten beide Seiten in vier zehnminütigen Fights über aktuelle Branchenherausforderrungen. Im Mittelpunkt des #fightCLUB! stand dennoch der Dialog zwischen den beiden Disziplinen, um gemeinsame Lösungen für Themen der Branche zu finden.
Bereits zu Beginn der Veranstaltung zeigten die Gastgeber, dass Immobilienwirtschaft und Architektur aufeinander angewiesen sind. „Architektur und Immobilienwirtschaft stehen vor denselben Herausforderungen. Klimawandel, zunehmende Vorschriften und Regulierungen sind nur einige der Themen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam im Gespräch bleiben und voneinander profitieren“, betonte Dirk Streicher, Vorsitzender des BFW Niedersachsen/Bremen e.V. Der Landesvorsitzende des BDA Niedersachsen, Matthias Rüger, stimmte zu: „Auch wenn wir in Teilen verschiedene Interessen verfolgen, brauchen wir einander, um die Herausforderungen der Zeit zu lösen. Im Fokus der derzeitigen Diskussionen und somit auch des diesjährigen #fightClubs! steht vor allem der Klimawandel. Wir, die Bau- und Planungsbranche, dürfen uns nicht zurücknehmen, sondern müssen vereint eine klimagerechte Transformation des Bauens erwirken. Gemeinsam schaffen wir das!“
Im Zentrum des diesjährigen #fightCLUB! standen Themen zu aktuellen Herausforderungen, wie beispielsweise „digital versus analog“ oder „Stadt versus Land“. In vier zehnminütigen Fights begegneten sich jeweils zwei KontrahentInnen im Boxring und diskutierten über Herausforderungen, Gegensätzlichkeiten, Gemeinsamkeiten und mögliche Lösungsansätze.
Jeder Fight ein reger Schlagabtausch
Trotz leichtem Nieselregen und teils stürmischen Böen wurde in allen Fights kontrovers diskutiert. Gleich zu Beginn gab es einen schlagkräftigen Argumentaustausch zum Thema „Lehm und Holz versus Beton und Stahl“. Dr. Christine Lemaitre, geschäftsführende Vorständin der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, machte ihrem Unmut über die Betonlobby mehrfach Luft und betonte, dass die Bemühungen der Industrie, vor allem auch im Bereich der Baustoffforschung, zu schwach sind. Ihrem Mitstreiter Gerhard Greiner, Landesvorsitzender des BDA in Hessen, lag dagegen vor allem das langfristige und dauerhafte Baumen am Herzen, das einen nachhaltigen Einsatz auch von Beton und Stahl möglich mache. Beiden war am Ende klar, dass es zukunftsfähige Lösungen für den nachhaltigen und umweltfreundlichen Einsatz verschiedener Baustoffe bedarf und es nicht darum geht, welche Baustoffart die beste und einzige Lösung ist.
Neben den KontrahentInnen ließ sich auch das Publikum von den Meinungsverschiedenheiten und Lösungsvorschlägen mitreißen. Vor allem das Bremer Duell zum Thema „Verdichtung versus Traumhaus“ sorgte für viel Stimmung und Spaltung im Publikum. „Die Entwicklungen lassen nicht mehr zu, dass all unsere Bedürfnisse erfüllt werden. Auf kurz oder lang müssen wir lernen uns einzuschränken“, stellte Benjamin Wirth, Gründer von wirth Architekten, heraus. Dies sah sein Rivale, Olaf Mosel von M Projekt anders: „Ich finde, dass jeder so wohnen sollte wie er möchte. Man kann den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben“.
Lieber in der Stadt oder auf dem Land wohnen? Vorlieben spielten auch im nächsten Fight eine zentrale Rolle. Prof. Ulrike Mansfeld zeigte neben ihrer Vorliebe fürs Land auch dessen zentrale Bedeutung für die Städte auf. „Das Land bietet uns Naherholung, Nahrung, technische Innovationen und Arbeitsplätze. Wenn aber niemand mehr auf dem Land lebt und arbeitet, kommt es zu einem technischen K.O., worunter letztlich auch die Stadt und der Klimawandel leiden“, so die Dekanin der Fakultät Architektur, Bau und Umwelt an der Uni Bremen. „Wir müssen Leben und Arbeiten zusammenbringen. Das funktioniert in der Stadt besser. Dennoch müssen wir auch in unseren Städten einige Herausforderungen meistern, damit die Verdichtung nicht zu Lasten der Lebensqualität in den Städten geht“, betonte ihr Mitstreiter Manfred Hofmann vom Wohnungsunternehmen meravis. Kommentator Uwe Bodemann merkte in seinem Statement am Ende an, dass Stadt und Land nicht getrennt voneinander betrachtet werden sollten, wenn es um die jeweiligen Herausforderungen geht. Symbiose anstatt Rivalität ist hier die Lösung.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die KontrahentInnen im Fight „Analog versus Digital“. Eva Ibrügger von der Delta Energie GmbH, die im Lager „digital“ antrat, legte den Fokus auf die neuen Möglichkeiten, die sich durch digitale Räume für unsere Flexibilität und Beweglichkeit ergeben. Auch wenn Stefan Giesler vom Büro Giesler Architekten seiner Mitstreiterin in vielen Punkten zustimmte, betonte er den Bedarf von analogen Orten des Zusammentreffens, die auch die Städteattraktivität steigern können. „Die Menschen wollen sich in Präsenz treffen und Begegnungen erleben, die es nur analog gibt. Wir müssen ihnen diese Räume bieten und somit neue Konzepte verwirklichen, die die Menschen wieder in die Städte ziehen“, fordert der Stadtplaner und Architekt aus Braunschweig/Berlin. Auch in diesem Fight zeigte sich der Wunsch nach hybriden Lösungen. Genau wie Stadt und Land in Wechselbeziehung stehen, wird niemand digital und analog voneinander trennen können.
Viel Input und neue Gedankenanreize
Am Ende der Veranstaltung wurde der Mehrwert eines solchen Aufeinandertreffens zwischen Immobilienwirtschaft und Architektur nochmals hervorgehoben. „Der Fightclub ist eine gute Möglichkeit, um in einer Runde zusammenzukommen und gemeinsam über die Zukunftsfragen der Branche zu diskutieren. Die bauende und planende Zunft muss gemeinsam Antworten finden und dafür in den Dialog treten. Wie in allen Fights deutlich wurde, ist ein Austausch über diverse Themen zentral“, so Uwe Bodemann, ehemaliger Stadtbaurat der Stadt Hannover, der als Kommentator in den Ring trat. Auch Moderator Hartwig von Saß, Projekteiter der neuen Immobilienmesse Real Estate Arena, betonte zum Abschluss: „Das war ein Abend, bei dem ich viel neuen Input mitnehmen konnte und Themen nun aus anderen Perspektiven beleuchten kann. Es wurde deutlich, dass ein Schwarz-Weiß-Denken an vielen Stellen zu kurz greift.“
Bildquelle: Andreas Bormann
Weitere Eindrücke von der Veranstaltung gewinnen Sie hier.