Der Trend hin zum Wohnen fernab der Großstadt macht auch in Niedersachsen und Bremen nicht Halt. Dass diese Entwicklung vielseitige Herausforderungen mit sich bringt, zeigte sich im Rahmen der 9. nordwestdeutschen Immobiliennacht des BFW Niedersachsen/Bremen e.V.
Bereits zu Beginn der Veranstaltung wurde die Bedeutung der Thematik rund um die Suburbanisierung für die Immobilienwirtschaft sichtbar. “Die Auseinandersetzung mit Urbanisierung und Suburbanisierung ist in der Immobilienwirtschaft nichts Neues. Die Mitgliedsunternehmen des BFW Niedersachsen/Bremen stellen sich berufsbedingt schon seit jeher die Frage, welche Trends sich in Hinblick auf Wanderungsbewegungen und Wohnpräferenzen ergeben. Durch die beschleunigte Suburbanisierungsentwicklung im Rahmen der Corona-Pandemie sind die Fragen rund um die Wanderungsbewegungen allerdings drängender geworden. Vor allem stellt sich die Frage, was die Suburbanisierungstendenzen für die Innenstädte bedeuten. Wir sind nun in der Pflicht so Antworten zu finden – nicht irgendwann, sondern jetzt“, betonte Dirk Streicher, Vorstandsvorsitzender des BFW Niedersachsen/Bremen e.V.
Für einen passenden Einstieg in die Diskussion rund um das Thema Suburbanisierung sorgten zwei Impulsvorträge, die die Thematik aus wissenschaftlicher Perspektive beleuchteten. Mit seiner aktuellen Studie zum Einfluss der Pandemie auf die Wohnpräferenzen in Deutschland zeigte Dr. Mathias Dolls, dass die Corona-Pandemie den bestehenden Trend zur Suburbanisierung nochmals beschleunigt. „Die Corona-Pandemie hat das Potenzial, dem bestehenden Trend der Suburbanisierung einen Schub zu geben. Vor allem die verstärkte Möglichkeit des Homeoffice kann diese Entwicklung möglicherweise dauerhaft antreiben. Damit einher gehen Chancen und Risiken für unsere Innenstädte. Es bedarf innovativer Konzepte und Ideen, die Innenstädte neu zu beleben“, so der stellvertretende Leiter des ifo Instituts für Makroökonomik und Befragungen.
Mangel an (bezahlbarem) Wohnraum trotz Stadtflucht
Diesen Effekt der Pandemie sieht auch Dr. Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. „Bereits seit 2014 verzeichnen wir einen Trend zum suburbanen Wohnen. Ursachen sind die hohen Wohnkosten und der Wohnraummangel in deutschen Großstädten sowie die sich wandelnden Wohnpräferenzen der Bevölkerung. Die Corona-Pandemie hat die gesamte Entwicklung beschleunigt. Homeoffice, gestiegene Ansprüche an gutes Wohnen und Wohnraummangel in den Städten machen ein Leben fernab der Großstädte attraktiver“, so der Wissenschaftler. Er verdeutlicht außerdem, dass trotz der Abwanderung bisherige Herausforderungen, wie der Wohnungsmangel in den Ballungszentren bestehen bleiben. Es sei somit wichtig, weiterhin das Wohnangebot in den Großstädten auszudehnen und gleichzeitig auch die Infrastruktur in suburbanen Räumen voranzutreiben.
Suburbanisierung: Chance oder Risiko?
Mit den konkreten Herausforderungen und Chancen der Suburbanisierung in den Innenstädten beschäftigte sich die Talkrunde mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Vor allem die Entwicklungen in Städten, wie Oldenburg und Bremen waren Gegenstand der Diskussion. „In Oldenburg beobachten wir Tendenzen der Suburbanisierung. Familien ziehen ins Umland, das Pendleraufkommen wächst und die Altersgruppen verschieben sich. Dieser Trend kann Entlastung und Belastung zugleich für unsere Innenstädte bedeuten. Eine Entlastung kann nur entstehen, wenn alle partizipierenden Kommunen aktiv und im Konsens diese Entwicklung steuern. In der Realität zeigt sich dies aufgrund der kommunalen Planungshoheit oder der unterschiedlichen Mobilitätsbedarfe kaum umsetzbar. So wird die Suburbanisierung für Stadtregionen stark tendenziös eine Belastung“, schlussfolgerte Dr. Sven Uhrhan, Stadtbaurat der Stadt Oldenburg. „In Bremen zeichnet sich der Trend der Suburbanisierung schon seit vielen Jahren ab. Platz- und Wohnungsmangel zwingen viele Bremer Familien ihren Traum vom Eigenheim mit Garten im Umland zu verwirklichen. Problematisch ist dabei, dass Menschen, vor allem im mittleren Alter, durch die Abwanderung als Steuerzahler verloren gehen“, merkte Joachim Linnemann, geschäftsführender Gesellschafter der Justus Grosse GmbH, an. Es zeigt sich, dass auch die Großstädte in Niedersachsen und Bremen neue Konzepte schaffen müssen, um den Herausforderungen der Suburbanisierung entgegenzutreten.
Mobilität als wichtiges Element beim Umgang mit Suburbanisierung
Eine besondere Herausforderung stellt das Thema Mobilität für die Innenstädte dar. Durch das wachsende Verkehrsaufkommen müssen in Bezug auf den Klimaschutz neue Mobilitätskonzepte etabliert werden. Angefangen bei Alternativen zum eigenen Verbrenner für Pendler aus dem ländlichen Raum bis hin zu flexiblen ÖPNV Angeboten und dem Ausbau von Carsharing Services – Für eine gelingende Verkehrstransformation ist es notwendig, die Mobilität unabhängig von Stadtgrenzen ganzheitlich zu entwickeln.