„Wohnbaukrise oder neue Realität“
Zuversicht und Optionen aufzeigen – das war das Ziel des 42. Hannover-Forums. Statt klassischer Grußworte wählte Dirk Streicher, Vorstandsvorsitzender des BFW Niedersachsen/Bremen, daher den Begriff der Mutworte in seiner Begrüßung. Er fand eindrückliche Worte, um die aktuelle Situation zu beschreiben. „Das Grundgeschäft ist da, der Bedarf an Wohnungen hoch. Und wir als Wohnungswirtschaft würden sofort wieder mehr bauen, aber es muss wirtschaftlich sein. Denn aktuell rechnet sich insbesondere der Neubau nicht.“ Er verwies auf die Tragkraft der Branche, wie viele Arbeitsplätze mit der Immobilienwertschöpfungskette verknüpft sind und dass jede Fachkraft, die durch die Krise verloren geht, nur schwer wieder zu ersetzen ist. Daher sein Appell an die Politik: „Nutzen Sie auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene jeden Spielraum, um das Bauen einfacher, schneller und damit günstiger zu machen.“
Frank Doods, Staatssekretär im niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, pflichtete Streicher bei. Er verwies insbesondere auf den hohen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und dass auch in Niedersachsen die Suche nach einem günstigen Zuhause zur Herkulesaufgabe wird. Auch wenn er ehrlich einräumte, dass es für eine schnelle Lösung keine Wundermittel gibt, so stellte er zugleich ein Bündel von Maßnahmen des Landes Niedersachsen vor, um der Aufgabe der Wohnraumversorgung gerecht zu werden. Allen voran steht die Novellierung der Niedersächsischen Bauordung (NBauO), die in Teilen Entlastung und Vereinfachung, aber insbesondere keine weitere Verschärfung der Standards mit sich bringt.
Özlem Ünsal, Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung der Freien Hansestadt Bremen, sieht für Bremen ähnliche Herausforderungen, spricht von einer Zeitenwende in der Branche und ergänzt: „Bezahlbares Wohnen bleibt die soziale Frage unserer Zeit. Deshalb werden wir Bremen auch trotz der Baukrise im engen Schulterschluss weiterbauen. Hierfür setzen wir auf ein breites Spektrum an Maßnahmen, Erleichterungen und Regelungen. Sie betreffen den planungs- und genehmigungsrechtlichen Rahmen, die Verwaltungsabläufe und unsere Förderkulisse. Bau und Stadtentwicklung dürfen nicht stagnieren.“
Allein die politischen Maßnahmen reichen jedoch bei weitem nicht aus, um die Krise abzuwenden. Weitere Potenziale, um den Wohnungsbau wieder rentabler zu realisieren, stellte Thomas Kotyrba, Head Of Research and Strategy, BNP Paribas Real Estate Investment Management, vor. Sein Blick richtete sich auf Praxisbeispiele aus dem Ausland. Von Modulbau bis hin zur Nachverdichtung und Aufstockung – die Beispiele zeigen, wie sich mit guter Flächeneffizienz Baukosten reduzieren lassen. Kotyrba forderte zudem: „Es braucht den wöchentlichen Jour Fix mit Regierung, Immobilienwirtschaft und Bürgern – auf Augenhöhe. Wohnen muss nicht neu gedacht werden, es muss endlich umgesetzt werden. Die Ideen, die Best-Practice-Beispiele aus anderen Weltregionen, die Projekte an den Anforderungen vorbei – all das liegt auf dem Tisch, nur keine ganzheitliche Strategie und Agenda mit klarer Aufgabenverteilung.“
Dass es so schnell keine massive Kehrtwende in der Zinsentwicklung und den Baukosten geben wird, wurde den Tag über deutlich. Daher konzentrierte sich die abschließende Podiumsdiskussion auf die Frage, welche Stellschrauben die Rentabilität im Neubau verbessern können. Dirk Streichers klare Empfehlung: „Die Gesamtsituation können wir aktuell nicht verändern. Aber in dem wir jedes Gewerk auf den Prüfstand stellen, können wir Kosten einsparen.“ Dazu meldete sich aus dem Publikum Dr. Frank Eretge, Geschäftsführer der Gundlach Bau und Immobilien GmbH & Co. KG aus Hannover und merkte an: „Neben dem eigenen Prüfstand muss sich auch das gesellschaftliche Bewusstsein wieder schärfen. Wohnen ist ein Gut, das bezahlt werden muss und muss demnach wieder in Abwägung mit anderen Konsumausgaben wie Reisen, Streamingdienste oder Gastronomiebesuche Wertschätzung erfahren.
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Bildquelle: Niklas Krug